Shalya Chikitsa – Chirurgie im Ayurveda
Wenn man an Chirurgie denkt, kommen einem Begriffe wie Spitzentechnologie in den Sinn, glänzende hochgradig desinfizierte Operationssäle und eine Ausrüstung, die auf dem neuesten Stand der Technik ist. Tatsächlich ist die Chirurgie allerdings eine Wissenschaft, die bereits vor Tausenden von Jahren praktiziert wurde. Ayurveda, das weltweit älteste Medizinsystem, ist die Wiege der Chirurgie. Ayurveda ist im Grunde eine Gesundheitswissenschaft, die durch ein elementares Verständnis der Grundprinzipien der Schöpfung die Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten herausstellt. In Kerala, wo Ayurveda vor mehr als fünftausend Jahren seine Wurzeln schlug, werden Ihnen ayurvedische Ärzte oder Vaidyars erklären, dass Ayurveda unabhängig von der Erkrankung auf zahlreiche Techniken für eine gezielte Diagnose und Behandlung in einer seiner acht Zweige zurückgreifen kann. Von diesen acht Zweigen ist Shalya Chikitsa auf die Chirurgie spezialisiert. Die Grundsätze des Shalya Chiktsa wurden erstmals vor Tausenden von Jahren durch den großen Ayurveda-Arzt Susruta in seiner Arbeit “Susruta Samhita” dargelegt. Wenn andere Verfahren und Medikamente versagen, verdeutlicht Susruta, dessen Name im Ayurveda für chirurgische Behandlungen steht, dass Shalya Chikitsa die beste Alternative darstellt.
Shalya Chikitsa – Ein wissenschaftlicher Ansatz
Bereits in der Antike wurde Shaya Chikitsa als Wissenschaft gelehrt. Es wurde eine umfassende Anzahl chirurgischer Methoden gelehrt, wobei das Sezieren von Leichen einen wichtigen Teil des Lernprozesses einnahm. Präoperative Verfahren sowie chirurgische Techniken, wie Gewebeentfernungen, Einschnitte, Ausschabungen, Punktionen, Extraktionen, Legen von Drainagen und Nahtversorgungen, wurden allesamt behandelt. Postoperative Verfahren, die körpereigenen Vital-Punkte oder Marmas, Anästhesie, die verschiedenen Arten von Bandagen und Verbänden, sowie die für diesen Einsatz bestimmten Instrumente wurden alle im Detail in der Susruta Samhita behandelt. Die Instrumente wurden hauptsächlich aus Stein, Holz, Zweigen, Blättern und anderen natürlichen Materialien hergestellt. Häufig wurden Rankengewächse als Binden verwendet. Auch Aderlass und die Behandlung mit Blutegeln sind Bestandteil des Shalya Chikitsa.
Die Bedingungen
Die Susruta Samhita beinhaltet eine detaillierte Darlegung der Bedingungen, die Shalya Chikitsa erforderlich machen. Laut Ayurveda wird nur auf Shalya Chikitsa zurückgegriffen, wenn konventionelle Behandlungsformen keine Ergebnisse erzielen oder nicht anwendbar sind. Bei Darmverschlüssen, Tumoren, inneren und äußere Verletzungen, Brüchen sowie Komplikationen während der Schwangerschaft und Entbindung kann ein chirurgischer Eingriff nötig sein. Susruta war der erste Chirurg, der im Ayurveda die kosmetische Chirurgie entwickelte. Susruta wandte damals die Rhinoplastik und Otoplastik (Korrektur von Nasen- und Ohrentraumata) an, und nahm Augenoperationen ähnlich denen der modernen Chirurgie vor. Bestimmte Krankheiten, die normalerweise gut auf nicht-invasive Eingriffe reagieren, können ebenfalls Shalya Chikitsa erfordern. Charaka, der legendäre weise Arzt der Antike, empfahl Shaya Chikitsa in gewissen Fällen, wie Hämorrhoiden und abdominaler Wucherungen.
Die langen Jahre der Fremdherrschaft in Indien bremsten den Fortschritt der Shalya Chikitsa allerdings aus. Außerdem stellte in früheren Zeiten der Mangel an angemessenen sterilen Bedingungen für ayurvedische Ärzte eine Herausforderung dar. Darüber hinaus wurden eher primitive Instrumente verwendet, was die Verfahren teilweise recht schmerzhaft machte. Allerdings müssen wir in Erinnerung behalten, dass Shalya Chikitsa zu dieser Zeit sehr beliebt war, da es dort Wirkung zeigte, wo herkömmliche Behandlungen nicht anschlugen und weil es für eine schnelle Erleichterung sorgte. Dies galt vor allem, wenn es um Abszesse und Zysten, vergrößerte Lymphknoten, einen Vorfall des Darms, Steine, eine Harnverhaltung und Brusterkrankungen ging. Shalya Chikitsa bleibt bis zum heutigen Tag die letzte Option, um das Leben eines Patienten zu retten, und Ayurveda-Chirurgen bestehen, wie ihre Kollegen der westlichen Medizin, auf der Zustimmung einer Vertrauensperson oder eines Familienangehörigen des Patienten.